Baikalsee, Reisebericht von Jochen Szech (Juli 2013)

Baikalsee Juli 2013

Es ist meine dritte Reise an den Baikalsee, die Perle Sibiriens. Ich folge einer Einladung des Komitees für Tourismus und des Flughafens München. Den Flug habe ich mit Aeroflot via Moskau gebucht. Ich möchte ausprobieren, ob das Durchchecken des Gepäcks schon funktioniert. Diese Regelung gibt es erst seit Mai 2013. Der Flug ist angenehm, hat aber leider  50 min Verspätung, so dass  mein Gepäck erst mit der übernächsten Maschine in Irkutsk eintrifft. SVO ist inzwischen ein moderner Flughafen geworden und hat internationalen Standard. Trotz der Verspätung schaffe ich es noch,  meinen Anschlussflug zu erreichen. Nach der Ankunft fahre ich in das Courtyard  by Marriott und check ein. 4 Sterne Standard und zentral gelegen ist das Hotel eine gute Wahl. Gleich nach dem Frühstück werde ich abgeholt und mein Guide Alexey zeigt mir voller Stolz seine schöne, herausgeputzte Stadt Irkutsk. Die Kirchen erstrahlen im Glanz der Sonne und man sieht, dass alles liebevoll restauriert wurde. Die Uferpromenade an der Angara lädt zum Bummeln ein und auch hier am Zusammenfluss von Irk und Angara hat die Sitte um sich gegriffen, ein Hochzeitsschloss an das Geländer anzubringen. Von hier gehen wir wieder Richtung Zentrum und platzen mitten in die Feierlichkeiten zum Abschluss an der Polizeiakademie. Der ganze Platz ist voll mit jungen Männern, die erst noch in ihre Uniformen hineinwachsen müssen, während die jungen Damen ihre Uniformen schon in perfekte Passform gebracht haben. Überall Uniformen und Festtagsbekleidung bei schönstem Sonnenschein. Der Boden ist übersät mit Münzen, Rubel und Kopeken liegen auf den Platten. Diesen Brauch verstehe ich erst am nächsten Tag, als wie einen Ausflug zu den Schamanen machen. Jetzt besuchen wir zunächst das Dekabristen Museum, das die Geschichte der ersten Revolutionäre des 19ten Jahrhunderts zeigt. Ihre Verbannung führte in Irkutsk zu einem kulturellen Aufschwung, da sie als Adelige versuchten, etwas Schick und Raffinesse in die Provinz zu bringen. Das sichtbarste Zeichen sind die Erker , die die Dekabristen in ihre Holzhäuser einbauen ließen.  Das kleine Museum wurde mit viel Liebe uzum Detail eingerichtet, verfügt über moderne Museumstechniken der Darstellung und lohnt einen Besuch. Inzwischen haben viele Russen verstanden, dass die alte Holzarchitektur ihre besonderen Reize hat und ein Teil des kulturellen Erbes ist.  Ein ganzes  Viertel mit Geschäften und Ausgehmöglichkeiten wurde komplett in alter Tradition aus Holz in altem Stil gebaut. Es gibt auch gute russische Restaurants, die mit ihrer reichhaltigen Auswahl an traditionellen Gerichten den Gast verwöhnen. Es gibt Borscht, Schi, Uha und vor allem den nur im Baikalsee vorkommenden Omul, eine
Art Lachsfisch, in all seinen Variationen, gekocht, gebraten oder geräuchert. Man muss sich aber etwas Zeit nehmen, da in Russland alles frisch zubereitet wird.

Am nächsten Tag brechen wir nach Olchon auf, der größten Insel im Baikalsee mit vielen schamanischen Heiligtümern. Auf der Fahrt halten wir an den heiligen Plätzen an der Straße. Wir müssenden Geistern unsere Referenz erweisen. Wodka, Zigaretten, Schokolade und Geld werden geopfert. Ganz schön ungesund, was die Geister so zu sich nehmen. Die Straßen sind gut ausgebaut und der Verkehr hält sich in Grenzen. Unterwegs biegen wir ab, in ein kleines Taigadorf und besuchen eine gastfreundliche Familie, die uns das Mittagessen zubereitet und uns natürlich einen Selbstgebrannten anbietet. Die Menschen hier bauen fast alles selber an, sie haben sogar ein Treibhaus für Tomaten und eines für Gurken. Alles Bio. Der Selbstgebrannte begleitet uns dann noch bis zum Minibus. Unsere Gastgeber tragen die Gläser, den Speck Sala, und das Schwarzbrot hinter uns her, um sicher zu gehen, dass wir auf jeden Fall satt und zufrieden sind. Die Burjaten die hier seit Dschingis Khan siedeln, sind Buddhisten und es gibt viel Austausch mit der Mongolei und Tibet. Wir besuchen einen buddistischen Tempel, der nach tibetischer Tradition geführt wird. Die Russen, die hier leben, haben einige Traditionen übernommen, wie z.B. die kleinen Münzopfer. Nach knapp drei Stunden erreichen wir die Anlegestelle für die Fähre nach Olchon. Es gibt 2 Schiffe, die zwischen dem Festland und der Insel pendeln. Im Sommergibt es viele Einheimische , die sich auf Olchon erholen wollen. Am Straßenrand gibt es viele Verkaufsstände, die alles feilbieten, was Touridstenso benötigen oder auch nicht: Getränke, Essen, Kühlschrankmagneten…

Die Überfahrt dauert ca 20 min und vermittelt den ersten Eindruck des größten Sees der Welt, der 1600 m tief ist, 800 km lang, 80 km breit und in dem sich 20% des weltweit verfügbaren Süßwassers befinden. Auf Olchon gibt es noch  keine Asphaltstraßen, dementsprechend langsam kommt man voran. Nach 1 ½ Stunden erreichen wir das 3 Hotel Baikal View, deren Bungalows so angelegt sind, dass jedes Zimmer Blick auf den Baikalsee hat. Das Hotel ist durchdacht, liebevoll eingerichtet und macht seinem Namen alle Ehre. Die Bungalows sind gemütlich und zweckmäßig eingerichtet. Das Restaurant bietet russische Spezialitäten. Anschließend fahren wir ins Dorf, um uns Squads auszuleihen. Nach fachmännischer Einweisung fahren wir über die Insel. Man kann  sich auch Fährräder mieten oder über die Insel wandern. Aus Zeitgründen haben sich meine Gastgeber für die schnellere Variante entschieden. Unser Guide fährt mit  uns über abenteuerliche Pisten zu den schönsten Buchten Olchons, mit Ausblick auf weitere kleine Inseln  wie das „Krokodil „ oder den „Löwen“. Der Anblick des Sees, die Spiegelungen der Wolken, des Himmels im klaren Wasser, läßt einen sofort begreifen, warum dieser Ort den Schamanen heilig war und ist. Die Welt wird friedlich und durchdringt den Beobachter mit ihrer Schönheit. Das Ich wird ganz klein und erkennt die Majestät  der Natur. Nach unserer Rückkehr laufen wir über die staubige Dorfstraße von Chuschir, dem größten Ort auf der Insel.  Vieles ist noch wie immer, aber man spürt den Einzug der Moderne. Überall entstehen kleine Geschäfte, Ausflugsbüros, Cafes und Restaurants. Der Beginn des Tourismus ist im Gange. Wir erreichen den Schamanenfelsen , Kap Burchan, eine Halbinsel, die von vielen Totempfählen vom Festland symbolisch getrennt wird. Die bunten Fähnchen und Bänder flattern  im Wind. Der Felsen umfasst in einem perfekten Halbrund ein Bucht kristallklaren Wassers. Der Felsen ragt wie ein Pyramide aus dem See. Auch hier wird die Wahl der Schamanen sofort deutlich. Die Heiligkeit des Ortes ist bei seinem Anblick unbestritten. Hier möchte man sich nur hinsetzen und staunen. Hier ist Spiritualität mit Händen greifbar.

Am nächsten Tag holt uns ein Oasic Minibus ab, der uns zu Nikitas Guesthouse bringt. Oasics  sind für Sibirien gebaut worden und sind einfach das beste Fortbewegungsmittel auf sibirischen Wegen abseits der großen Straßen. Die kommen aufgrund ihres hohen Radstands   überall durch. Sie haben keinen elektrischen Schnickschnack und frieren nicht so schnell ein.

Bedi Nikita angekommen, habe ich sofort einen Flashback in die 70 er . Es ist alles so friedlich und harmonisch. Das Guesthouse besteht aus zahlreichen Gebäuden , die alle selbst errichtet wurden, aus Holz. Die Zimmer sind rustikal einfach, die meisten teilen sich Dusche und WC, alles ist selbstgebaut, auch die Betten(Ikea ist ca 5000 km entfernt). Alles ist sauber und ordentlich.

Nikita zeigt uns sein Reich und erklärt uns, das eine Besucherin gern ein französisches Cafe gehabt hätte, Der Wunsch wurde erfüllt und es gibt jetzt ein Cafe francais auf Olchon. Nikita hat auch einen Fahrradverleih, Internetanschluß, einen Konzertsaal, in dem abends musiziert wird und eine Tischtennishalle, wo die Dorfjugend für Turniere in ganz Rußland, der Mongolei und China trainiert. Auch der Konzertsaal wird von den Dorfbewohnern genutzt. Alles ist natürlich selbstgebaut. Am nächsten Tag fahren wir wieder auf das Festland, um uns noch andere Anlagen anzuschauen.

In Sichtweite Olchons liegt die Anlage „Baataar“ mit vielen Häusern weitläufig angelegt. Hier gibt es einen Aquapark  und allerlei Zerstreuungen. Es ist alles ausgebucht uns so kann ich mir nur die Rezeption und das Restaurant anschauen. Alles gut organisiert. Sogar ein Ärztekongress soll im September hier stattfinden. Auf der Rückfahrt besuchen wir noch eine burjatische Sportanlage, auf der man viele traditionelle Sportarten betreibt und die Jugendlichen trainiert: Ringkampf, Reiten, Trabrennsport und Bogenschießen werden vorgeführt. Alles in freier Natur, ohne Dach. Doch das sind die Leute hier gewöhnt und so stehen wir alle im leichten Nieselregen und versuchen uns im burjartischen Bogenschießen. Das Ziel ist hier keine aufgestellte Scheibe, sondern kleine, bunte Blöcke, die auf der Erde liegen. Man muss also den Pfeil so schießen, dass er einen Bogen beschreibt und dann das Ziel fast auf der Erde trifft. Sehr schwierig, aber lernbar. Nachdem wir herzlich verabschiedet werden, fahren wir zurück nach Irkutsk, dass ich leider am nächsten Morgen verlassen muss, um nach Moskau zurückzufliegen. Meine Gastgeber holen mich früh ab, damit ich noch Gelegenheit habe, auf dem Markt einzukaufen. Das lohnt sich zum Beispiel, um die herrlichen Kräuter, die hier am Baikalsee wachsen, zu erstehen.  Doch jetzt wartet Moskau.